The Fachkräftemangel is real
Über 800.000 offene Arbeitsstellen gibt es in Deutschland. Als Wake up Communications vor fast zehn Jahren gegründet wurde, waren es mehr als 45 Prozent weniger. On top kommen steigende Vakanzzeiten:
Während es 2007 noch durchschnittlich 63 Tage von der Ausschreibung bis zur Besetzung einer Position dauerte, waren es 2019 schon 130 Tage – Tendenz steigend. Für uns als Agentur mittlerer Größe ist das eine enorme Herausforderung.
Denn gleichzeitig erleben wir seit der Pandemie eine ungewöhnlich starke Nachfrage nach unseren Leistungen – und das am besten sofort (no front). Doch wie lässt es sich kurzfristigen Anfragen begegnen, wenn kaum Kapazitäten zur Verfügung stehen oder nachrücken? Was passiert, wenn es dann noch viel Zeit in Anspruch nimmt, bis gute Kandidat*innen gefunden und eingestellt sind? Kurz gesagt: Die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Erst kürzlich mussten auch wir ein super spannendes Projekt absagen, weil wir bis zum Kick-off niemals das nötige Personal gefunden hätten, um es zu stemmen. Und glaubt mir, es ist bitter, einen lukrativen Auftrag in dem Wissen ablehnen zu müssen, dass es nur an den personellen Ressourcen liegt.
Obst schmeckt nicht allen Bewerber*innen
Sind qualifizierte und motivierte Bewerber*innen heiß begehrt, nennt sich das Arbeitnehmermarkt. Damit einhergeht, dass Unternehmen mehr und mehr unter Druck stehen und um Fachkräfte konkurrieren müssen. Stichwort: War of Talents. Ein permanentes Werben um Fachkräfte ist die Folge und die offensive Kommunikation von Vorteilen wird zu einer unverzichtbaren Währung.
Um dem zu begegnen, gilt es erstmal herauszufinden, wieso überhaupt über einen Arbeitsplatzwechsel nachgedacht wird. Gründe, einen Arbeitgebenden zu verlassen, gibt es viele … sei es der Wunsch nach mehr Gehalt, Unzufriedenheit mit der Führung, zu viel Stress, nicht vorhandene Wachstumschancen, langweilige Arbeitsinhalte, die fehlende Sinnhaftigkeit der Tätigkeit oder mangelnde Identifikation mit den Werten des Unternehmens. Wer genau diese Bedürfnisse adressieren kann, hat augenscheinlich Glück, ist aber nicht allein. Es liegt einfach viel zu offensichtlich auf der Hand, personellen Engpässen mit einer Zurschaustellung der eigenen Arbeitgeberattraktivität entgegenzuwirken. Aber welche Maßnahmen sind unschlagbare Argumente und welche werden eigentlich längst von Bewerber*innen vorausgesetzt?
Nehmen wir das Thema Home-Office. Vor Corona noch eine reizvolle Ausnahme, ist es im New Normal allerdings in den meisten Branchen Alltag, größtenteils remote zu arbeiten. Neue Mitarbeiter*innen gewinnt man damit mittlerweile genauso wenig wie mit einem Obstkorb.
Trotz 4-Tage-Woche nicht die Beine hochlegen
Doch egal, welche Maßnahmen letztlich angepriesen werden: Es darf sich dabei nicht um leere Versprechen handeln. Beim Vertrauensaufbau ist gezieltes Employer Branding über alle relevanten Touchpoints hinweg unerlässlich. Auf unseren Social-Media-Kanälen präsentieren wir daher ein authentisches Bild vom Agenturleben und bekommen von Bewerber*innen regelmäßig zurückgespielt, dass sie unseren Spirit glaubhaft vermitteln.
Der Schlüssel liegt also darin, dass kommunizierte Benefits auch gelebt werden und im Idealfall ganz nebenbei auch noch die Unternehmenskultur widerspiegeln. So bringt unsere 4-Tage-Woche nicht nur für dem bestehenden Team wertvollen Mehrwert in Form von mehr Lebensqualität, sondern sie ist auch für potenzielle Kolleg*innen ein Anreiz, sich zu bewerben. Noch hat dieses Modell zwar USP-Charakter, aber ausruhen können wir uns darauf nicht.
Deshalb stehen wir immer offen im Austausch mit der Belegschaft, um sie an der Gestaltung ihres Arbeitsalltags teilhaben zu lassen. Zum Beispiel haben wir nicht erst einmal darüber gesprochen, wie Workation bei Wake up funktionieren könnte – lasst euch überraschen, vielleicht steht das ja demnächst in unseren Stellenanzeigen. Kleiner Tipp: Schreibt solche Pros plakativ in eure Gesuche. Nach einem Webinar von Indeed haben wir unsere Ausschreibungen dahingehend optimiert und obwohl ich nicht empirisch darlegen kann, wie viel Einfluss es hatte, war das doch schnell erledigt. Und schaden kann es auf keinen Fall.
Schlank oder flexibel? Vom idealen Bewerbungsprozess
Wer sich tiefer in die Materie „Bewerbungsprozess“ einliest, wird auf den Ratschlag stoßen, diesen schlank zu halten. Möglich machen es Apps wie truffls, die nach Tinder-Prinzip Unternehmen mit Arbeitssuchenden matchen. Ohne es ausprobiert zu haben, sehe ich – zumindest bei kleinen Teams – den Abgleich von Hard Facts allein als nicht aussagekräftig genug an. Ein Anschreiben transportiert mehr Persönlichkeit und hilft uns einzuschätzen, ob ein*e Kandidat*in zu uns passt. Gestern erst habe ich auf LinkedIn die Empfehlung gelesen, alternativ kurze Videos von Bewerber*innen anzufordern. Toller Ansatz, birgt meiner Meinung nach aber das Risiko, Personen auszuschließen, die sich vor der Kamera nicht wohl fühlen und sollte daher nicht die einzige Methode sein, sich einem potenziellen Arbeitgebenden vorstellen zu können. Daher halte ich Flexibilität für sinnvoller als möglichst unkomplizierte Bewerbungsformen.
Zusätzlich haben wir beschlossen, unsere Jobangebote konstant zu schalten, um eine Art Talentpool aufzubauen – wichtig hier: offene Kommunikation darüber, wenn wir gerade keinen akuten Bedarf haben und das bereits bei der Einladung zu einem Kennenlerntermin.
Grundsätzlich geht für mich kein Weg an Transparenz vorbei, wenn es darum geht, eine realistische Erwartungshaltung aufzubauen. Und die ist nötig, denn letztlich bleiben Mitarbeitende doch nur, wenn ihre Vorstellungen nicht enttäuscht werden. Wer anstrebt, in zwei Jahren ein Team von 10 Leuten zu führen, ist bei uns nicht an der richtigen Stelle – und das haben wir auch schon in ersten Gesprächen mitgeteilt. Um im Vorfeld keine falschen Hoffnungen zu wecken, machen wir auch immer ein Probearbeiten. Dabei legen wir großen Wert darauf, dass es nicht uns dazu dient herauszufinden, ob Arbeitsweise und Ergebnisse unseren Anforderungen gerecht werden, sondern auch unser Gegenüber danach weiß, ob Aufgaben und Projekte wirklich das sind, mit dem es zukünftig einen Großteil seiner Zeit verbringen möchte.
Das bestehende Team so: „Und was ist mit uns?“
Der vorangehende Absatz lässt es eventuell erahnen: Tatsächlich fehlt mir bei all der Beschäftigung damit, dass ein Fachkräftemangel herrscht, die Sensibilisierung für erfolgreiche Mitarbeiterbindung. Unter den
30- bis 39-Jährigen ist fast jeder Zweite (48 %) bereit, zu einem neuen Arbeitgebenden abzuwandern, so eine repräsentative Studie, die das Meinungsforschungsinstitut
Forsa im Auftrag von
Xing E-Recruiting durchgeführt hat. Bestätigt wird das durch eine
Studie von Qualtrics und auch die Prüfungs- und Beratungsorganisation
Ernst & Young GmbH titelt die Pressemitteilung zur aktuellsten Ausgabe ihrer im Zweijahresturnus erscheinenden EY-Jobstudie
„Fast die Hälfte der Beschäftigten ist wechselwillig“.
Jede Kündigung ist ein herber Verlust für ein Unternehmen. Nicht nur sind
Onboarding, Weiterbildung und Co. ein großer Invest, auch ist eine gut eingespielte Mannschaft (gerade in dynamischen Zeiten) schlichtweg unbezahlbar. Aber machen wir uns nichts vor: Fluktuation gibt es überall und wenn es mal dazu kommt, kann ich ein Offboarding-Gespräch nur empfehlen. Denn ganz egal, welche individuellen Beweggründe es für den Weggang gibt, ein scheidendes Teammitglied wird immer Optimierungspotenziale benennen können. Diesen wertvollen Input dürfen sich Unternehmen nicht entgehen lassen. Dass ehemalige Mitarbeitende so die Gelegenheit auf einen sauberen Abschluss erhalten, sollte ein willkommener Nebeneffekt sein.
Okay, wer sich jetzt von mir den ultimativen Leitfaden gegen den Fachkräftemangel erhofft hat, ist jetzt sicherlich enttäuscht. Letztlich gibt es aber auch nicht die eine Lösung. Zusammenfassend ist mein Appell nämlich ganz simpel: Redet mit eurem Team, fragt Bewerber, hört zu, analysiert eure Talent Experience und evaluiert auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse, was ihr in Sachen Mitarbeitergewinnung und -bindung (noch) besser machen könnt.
Welche Tipps habt ihr, um neue Kolleg*innen nicht nur zu finden, sondern sie auch zu binden?